Münster global Kritische Stadtgeographie in globaler Perspektive

Münster als ein Knotenpunkt des NATO-Kommandoposten- und Logistiknetzwerks


Eigentlich wollten wir ein Interview über Logistik mit dem Deutsch-Niederländischen Corps (DNC) führen, was jedoch leider nicht klappte. Die kuriose Geschichte über den Interviewversuch mit dem DNC findet ihr im Podcast. Stattdessen entschieden wir uns für Plan B und stellten die Recherche andersweitig an. Das Ergebnis ist der Blogeintrag, den ihr jetzt seht.


DNC, Dienstleistungszentrum & Luftkontrollkommando

Münster bleibt auch in der jüngeren Geschichte seiner Tradition als Garnisonsstadt treu. Auf den Beschluss der Niederlande und Deutschlands von 1991 hin, wurde 1995 in Münster das 1. Deutsch-Niederländische Corps (DNC) eingerichtet[1]. 2002 übernahm es die Position eines „NATO High Readiness Force Headquarters (HRF HQ)”, also als Hauptquartier der „schnellen Eingreiftruppe der NATO“, die innerhalb von 20 – 30 Tagen weltweit NATO-Truppen an ihren Einsatzort stationiert. 2003 wurde beispielsweise von hier aus der ISAF-Einsatz in Afghanistan ein halbes Jahr lang koordiniert[2]. Münster ist somit Teil eines NATO-weiten Netzwerks aus Hauptquartieren verschiedenster Art[3]. Die Karte zeigt nur eine Auswahl.


Abbildung 1: Offizielle Karte der NATO-Webseite für die Kategorie “Deterrance and Defense” („Abschreckung und Verteidigung”).
Quelle: https://www.nato.int/nato-on-the-map/#lat=51.156913809218025&lon=14.62158242076204&zoom=1&layer-5 (Stand 20.05.2019).

Als Hauptquartier der schnellen Eingreiftruppe obliegt dem DNC oft die Aufgabe, Truppenmanöver zu koordinieren. „Noble Jump“ 2015 und „Trident Juncture“ 2018 gehören zu den jüngsten Beispielen. Bei „Noble Jump“ handelte es sich um die schnelle Verlegung der „Speerspitze“ der NATO-Truppen, um dem Image der „schwerfälligen Truppe“ entgegenzuwirken[4]. „Trident Juncture“ in Norwegen übte den Großeinsatz von 50.000 Beteiligten[5]. Beide Manöver zielten direkt auf eine Abschreckung Russlands ab, auch wenn dieses Ziel nicht offiziell formuliert wurde. Das Manöverdesign bereitet jedoch unmissverständlich auf den Einsatz an Konfliktherden der NATO-Ostgrenze vor[6].

Solche Manöver sind immer auch mit Schwierigkeiten verbunden, die die Herausforderungen einer länderübergreifenden militärischen Logistik verdeutlichen. Zum einen wäre da die anfallende Bürokratie bei Truppen- und Materialtransport, denn der Schengenraum gilt nicht für das Militär[7]. Zum anderen kommen Schwierigkeiten bei der Kommunikation und Abstimmung aller, auch nicht-militärischen, Beteiligten hinzu. Diese gipfelten etwa bei „Trident Juncture“ in der Kollision einer norwegischen Fregatte mit einem Tankschiff in einem Öl-Verladehafen. Die Fregatte sank und das Öl-Terminal musste geschlossen werden, sodass der Rest Europas kurzzeitig nicht mehr von dort aus mit Öl beliefert werden konnte[8]. Auch Verletzungen und Todesfälle ließen sich nicht vermeiden. So wurde ein deutscher Soldat während des Manövers Opfer eines Autounfalls[9].


Abbildung 2: Die norwegische Fregatte “KNM Helge Ingstad” kollidierte mit einem Tankschiff und sank in der Folge
Quelle: https://www.bild.de/politik/ausland/politik-ausland/nach-mega-nato-manoever-norwegische-fregatte-kollidiert-mit-tanker-58309176.bild.html (Stand 20.05.2019).

Gerade auch im Bereich dieser länderübergreifenden militärischen Logistik spielt der Standort Münster eine tragende Rolle. Im Bundeswehrdienstleistungszentrum in Münster-Coerde werden u.A. Material-, Ausrüstungs- und Verpflegungstransporte in Kriegs- und Übungsgebiete koordiniert[10][11]. Zudem wird teilweise die Wartung der Ausrüstung, etwa in Camps in Afghanistan, initiiert. Mit der konkreten Durchführung werden in der Regel externe Logistikpartner*innen im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen beauftragt[12]. Diese Auslagerungsprozesse sind Teil einer weitergehenden Privatisierungsoffensive der Bundeswehr und spiegeln einen anhaltenden Prozess des Outsourcings von militärischen Aufgaben, vom Transport bis hin zu Kampfhandlungen wider[13].


Abbildung 3: Ausschreibung des Bundesamts für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr. Dieser Behörde gehört auch das Bundeswehr-Dienstleistungszentrum in MS-Coerde an.
Quelle: https://www.iud.bundeswehr.de/portal/a/iudbw/start/ausschreibung/baiudbw/ (Stand : 22.05.2019).

Mit dem Lufttransportkommando war bis 2010 eine weitere strategische Kommando- und Logistikeinrichtung der Bundeswehr in Münster ansässig. Unter General Ahrens befehligte das Kommando seit 1961 über 40 Jahre lang die Lufttransportkräfte der Luftwaffe[14] und verantwortete damit alle Flüge der Bundeswehr, sei es Ausrüstungs-, Güter- und Fahrzeugtransporte in Kriegsgebiete oder für Katastropheneinsätze im Inland[15]. Das Kommando war insbesondere an den Kriegseinsätzen in Afghanistan und Bosnien-Herzegowina beteiligt[16].

Logistikprozesse, besonders die Sicherstellung des Nachschubs an Waffen, Treibstoff, Munition und Verpflegung sowie der Truppentransport sind von essentieller Bedeutung für die Durchführung von Kampfhandlungen und Manövern und stehen am Anfang jedes militärischen Unterfangens. Oft genug haben Innovationen in der Militärlogistik auch den zivilen Transport und Kommunikationssektor stark beeinflusst[13].


  1. https://1gnc.org/history/ (Stand 20.05.2019)
  2.   Zur Geschichte des ISAF-Einsatzes: https://www.uni-muenster.de/NiederlandeNet/nl-wissen/politik/vertiefung/afghanistan/index.html (Stand 20.05.2019)
  3. Liste aller derzeitigen NATO-Hauptquartiertypen und Standorte: https://datenbank.nwb.de/Dokument/Anzeigen/703839/ (Stand 20.05.2019)
  4. https://augengeradeaus.net/2015/06/exercise-watch-noble-jump-teil-ii-die-speerspitze-verlegt/comment-page-1/ (Stand 20.05.2019)
  5.   https://www.imi-online.de/2018/12/05/joint-cooperation-2018/ (Stand 20.05.2019)
  6. https://www.imi-online.de/2018/12/05/joint-cooperation-2018/ (Stand 20.05.2019)
  7. https://www.faz.net/aktuell/politik/die-neue-speerspitze-der-nato-rollenwandel-im-buendnis-13664276-p2.html (Stand 20.05.2019)
  8. https://www.bild.de/politik/ausland/politik-ausland/nach-mega-nato-manoever-norwegische-fregatte-kollidiert-mit-tanker-58309176.bild.html (Stand 20.05.2019)
  9. ttps://www.bild.de/politik/ausland/politik-ausland/bundeswehr-soldat-stirbt-bei-nato-manoever-in-norwegen-58347894.bild.html (Stand 20.05.2019)
  10. https://www.iud.bundeswehr.de/portal/a/iudbw/ (Stand 19.05.2019)
  11. https://www.service.bund.de/Content/DE/DEBehoerden/B/Bundeswehr/BwDLZ/BwDLZ-Muenster/Bundeswehr-Dienstleistungszentrum-Muenster.html?nn=4641496 (Stand 19.05.2019)/
  12. https://www.iud.bundeswehr.de/portal/a/iudbw/start/organisation/bwdlz/!ut/p/z1/hU5NC4IwGP4tHbzufVNK67YOQbIiMEh3iWlrFtPJXNrPb9EpKHpuzycPcMiBt2K4KuGuphXa84LPT6uEHVi4CEOWrSlu4gVmdLedYhTD8V-Aext_gCJkZwmF34h_bqRTyIADv4lBPEhnrNPSEVG9HkJRi_as5d5U9C2kwJU25fs6bcsoUcCtvEgrLblbL9fOdf0ywADHcSTKGKUlqUwT4LdKbXoH-WcSuiYfMZrpgdHJE2ND5hQ!/dz/d5/L2dBISEvZ0FBIS9nQSEh/#Z7_B8LTL2922LSFA0I790SANM10J1 (Stand 22.05.2019)
  13. Chua, Cowen, Danyluk et al. (2018): Turbulent circulation. Building a critical engagement with logistics. In: Environment & Planning D: Society & Space 2018, Vol. 36, p. 620.
  14. https://www.wn.de/Muensterland/2008/04/Sie-gehen-staendig-in-die-Luft-40-Jahre-Transportkommando (Stand 22.05.2019)
  15. https://www.wn.de/Archiv/2008/04/yangoContent-Befehl-kommt-aus-Muenster (Stand 22.05.2019)
  16. https://de.wikipedia.org/wiki/Lufttransportkommando (Stand 22.05.2019)